Vom Osmanismus zum Separatismus: Religiöse und ethnische Hintergründe der Rebellion des Scheich Said

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Abstract

Die kurdische Rebellion, die Anfang 1925 von dem Nakşibendi-Scheich Said angeführt wurde, markiert einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte der republikanischen Türkei. Sie bot Mustafa Kemal und Ismet Pascha die Gelegenheit, sich nahezu diktatorische Machtbefugnisse anzueignen. Von diesem Zeitpunkt an wurde das kemalistische Reformprogramm in noch grösserer Eile und ohne Rücksicht auf die Opposition verwirklicht. Durch die Politik des Laizismus wurden die wichtigsten Symbole beseitigt, die bis dahin noch Kurden und Türken sowie andere kleinere muslimische Ethnien geeint hatten. Die deutlichen Versuche, den Islam als staatstragende Ideologie durch einen türkischen Nationalismus zu ersetzen, entfremdeten die nichttürkischen Muslime nur noch mehr von der Regierung. Erstaunlich ist jedoch, dass sich trotzdem noch viele Kurden weiterhin loyal gegenüber dem kemalistischen Regime verhielten. Während der folgenden Jahre gab es viele kurdische Aufstände; erst 1938 wurde die Osttürkei unter hohen Kosten vollständig befriedet. Alle Aufstände blieben aber räumlich begrenzt, und in einigen Fällen waren es gerade Kurden, die aktiv an der Niederschlagung kurdischer Aufstände beteiligt waren. Einige Erhebungen waren ausgesprochen nationalistisch: Sie zielten auf die Gründung eines separaten kurdischen Staates. Auf eine solche Möglichkeit hatte bereits Präsident Wilson in seinen während des Ersten Weltkrieges formulierten "Vierzehn Punkten" angespielt, und auch der Vertrag von Sèvres 1920 hatte sie vorgesehen. Doch damals bedeutete der Separatismus den kurdischen Dorfbewohnern noch wenig. Die meisten von ihnen verhielten sich loyal gegenüber dem Osmanischen Reich, obwohl sie 1 First published in: Jochen Blaschke & Martin van Bruinessen (Hrsg), Islam und Politik in der Türkei. Berlin: EXpress Edition, 1985 (Reprint: Berlin: Parabolis, 1989), pp. 109-165.
Original languageGerman
Title of host publicationIslam und Politik in der Türkei
EditorsMartin van Bruinessen, Jochen Blaschke
PublisherEXpress Verlag
Pages109-165
Number of pages67
Publication statusPublished - 1985

Keywords

  • Kurdish nationalism
  • Turkey
  • Islam

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